Im Laufsport haben die technologischen Neuerungen im Bereich der Laufschuhe zu bedeutenden Veränderungen geführt. Diese Innovationen des Laufschuhs, die auf den ersten Blick zu einer Verbesserung der Laufleistung führen, haben auch Auswirkungen auf die Biomechanik des Fußes und der unteren Extremität. Laufschuhe mit Carbonplatten haben Leistungsvorteile, stellen aber auch neue biomechanische Anforderungen an den Fuß und an die untere Extremität.
Hebelmechanik
Die Biomechanik des Laufens beinhaltet komplexe Wechselwirkungen zwischen dem Fuß und dem Laufschuh. Der Fuß agiert beim Laufen als ein Hebel. Wenn die Steifigkeit von Laufschuhen durch eine Carbonplatte erhöht wird, verändert sich die Krafteinwirkung auf den Fuß. Es wird vermutet, dass sich eine Erhöhung der Steifigkeit auf die Mechanik des Sprunggelenkes auswirkt. Die Biegesteifigkeit des Schuhs wird durch die Carbonplatte erhöht. Hierdurch wird der Punkt der Krafteinleitung (am Fuß) nach vorne verlagert und das Drehmoment der Bodenreaktionskraft auf das Sprunggelenk vergrößert. Diese Auswirkungen sind jedoch individuell sehr unterschiedlich, was auf eine komplexe Interaktion zwischen der Steifigkeit des Schuhs und der Biomechanik des Sprunggelenks bei Läufern hindeutet.
Wippeneffekt
Der von Nigg et al. beschriebene „Teeter-Totter-Effekt“ (Wippeneffekt) dient zum Verständnis des Einflusses der Schuhkonstruktion auf die Lauf-Performance. Das Konzept basiert auf der Wirkung der Carbonplatte, die in die Mittelsohle integriert ist. Die Krümmung der Cabonplatte muss korrekt konzipiert sein, damit der Wippeneffekt in der Abdruckphase wirksam wird. Der Wippeneffekt wird in erster Linie durch das Design der Mittelsohle und der darin eingebetteten Carbonplatte beeinflusst. Wenn es während des Laufens zu einer Verlagerung der Bodenreaktionskraft zum vorderen Teil der Carbonplatte kommt, wird hierdurch eine nach oben gerichtete Reaktionskraft im Bereich der Ferse generiert. Dieser Effekt ist ausschlaggebend für die Verbesserung der Abdruckphase. Damit der Wippeneffekt optimal funktioniert, müssen Krümmung und Steifigkeit der Carbonplatte in einer optimalen Balance stehen.
Verletzungen
Die Verwendung von Schuhen mit Carbonplatten führt zu einer Veränderung der biomechanischen Belastungen an der unteren Extremität. Es kommt zu einer Beeinflussung der Mechanik im Bereich des Sprunggelenkes, der Metatarsophalangeal-Gelenke sowie der Laufbiomechanik. Diskutiert wird, ob diese Veränderungen der Biomechanik die Wahrscheinlichkeit von Verletzungen erhöhen könnte. Eine aktuelle Untersuchung aus dem Jahr 2023 analysiert die potenziellen Risiken von Carbon-Schuhen bei Läufern. Beschrieben ist eine Fallserie von fünf Läufern, die im Zusammenhang mit dem Tragen von Carbon-Schuhen eine Ermüdungsreaktion im Bereich des Os naviculare entwickelt hatten.
Das im Mittelfuß lokalisierte Os naviculare ist aufgrund seiner Schlüsselrolle bei der Gewichtsbelastung und Kraftübertragung beim Laufen besonders anfällig für ossäre Stressreaktionen.
Die veränderte Biomechanik durch die Verwendung von Carbon-Schuhen könnte zu einer erhöhten Belastung des Os naviculare führen. Eine solche vermehrte Belastung kann, insbesondere im Zusammenhang mit sportlichen Aktivitäten auf hohem Niveau, zu Knochenstressreaktionen führen. Man muss jedoch betonen, dass derzeit noch nicht ausreichend wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse vorliegen, um einen kausalen Zusammenhang zwischen der Verwendung von Carbon-Schuhen und einer Erhöhung der Verletzungswahrscheinlichkeit herzustellen.
Fazit
Die Vorteile und die Risiken von Carbon-Schuhen sollten immer individuell abgewogen werden. Einige Läufer kommen mit den veränderten biomechanischen Belastungen durch diese neuen Schuhe besser zurecht als andere. Es ist jedoch nicht vorhersagbar, bei welchen Läufern das der Fall ist. Bei Läufern, bei denen potentiell ein Risiko durch Vorverletzungen (insbesondere bei vorangegangen ossären Stressreaktion im Bereich des Fußes) besteht, sollte eine individuelle Risikobeurteilung erfolgen. Die Ergänzung von spezifischen Kraft- und Präventionsprogrammen im Rahmen der Physiotherapie erscheint bei diesen Läufern besonders sinnvoll. Eine weitere Überlegung liegt darin, Carbon-Schuhe ausschließlich bei Wettkämpfen und bestimmten Trainingseinheiten (z. B. bei Tempoläufen) einzusetzen und bei den regulären Trainingsläufen andere Schuhe zu verwenden. Es sollte zudem immer eine Gewöhnungsphase zur Adaptation an die Schuhe eingeplant werden.
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Literatur
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